Bei uns dauern Unterrichtsstunden in der Regel 60 oder 75 oder 30 Minuten.
Das RLG weicht auf der Grundlage des Berliner Schulgesetzes §76 (1) Nr. 6 vom üblichen 45-Minuten-Takt ab. Dadurch ergeben sich Veränderungen in der Stundentafel, die entsprechend SG §76(1) in Verbindung mit SG §14(4) von der Schulkonferenz beraten und im Jahr 2006 mit 11:0 Stimmen angenommen wurden. Eine Beratung in den Schüler-, Eltern- und Lehrergremien erfolgte vorab.
Das RLG greift mit seinem neuen System mehrere lernpsychologische und pädagogische Diskussionen auf und findet andere als die tradierten Antworten, die auf dem starren 45-Minuten-System basieren (müssen).
Der starre 45-Minuten-Takt wird von uns nicht als ideale Voraussetzung für ein nachhaltiges Lernen angesehen. Von vielen Fachdidaktikern und Lernpsychologen wird kritisiert, dass der tradierte 45-Minuten-Takt keine idealen Bedingungen schafft. Hirnforscher, die sich mit der Frage des Fremdsprachenlernens beschäftigen, haben z.B. festgestellt, dass ein nachhaltiger Erfolg im Fremdsprachenunterricht erst nach mehr als 30 Minuten Unterricht in der Fremdsprache zu erreichen ist, da das Gehirn erst dann Verknüpfungen ausschließlich in der Fremdsprache herstellt. Eine 45-Minuten-Stunde endet kurz nach Beginn dieses Prozesses.
Auch für den projektbezogenen Unterricht favorisieren wir eine Regelunterrichtszeit von 60 Minuten, ermöglicht sie doch viel eher den Abschluss eines Projektes und dessen Auswertung. Schließlich schafft eine 60-Minuten-Stunde für das traditionelle Stundenmuster (Problemstellung, Problemerarbeitung, Erstfestigung, ggf. weitere Festigung) eine zusätzliche Phase, die hier als kritische Reflexion benannt sei. Sie ermöglicht das Hinterfragen, ein umfangreicheres Problematisieren und ein Anzweifeln des gerade Erlernten. Schließlich bietet eine 60-minütige Regelzeit eine günstige Voraussetzung dafür, dass die Schüler Neues selbst entdecken können und dass alternative Wege miteinander verglichen werden können.
Lernpsychologische Untersuchungen haben ergeben, dass die Gefahr des „Auslöschens“ von Gelerntem steigt, je mehr verschiedene Lerngegenstände an einem Tag auf der Agenda der Lernenden stehen. Hier finden wir aus unserer Sicht eine überzeugende Antwort: Unser Vorgehen sieht für die Schülerinnen und Schüler des RLG durchschnittlich weniger Lerngegenstände pro Unterrichtstag vor als im alten 45-Minuten-Takt.
Späterer Unterrichtsbeginn am Morgen
Unser Vorgehen greift auch die Diskussion zum Unterrichtsbeginn in Deutschland auf. Von vielen Lernpsychologen wird seit langem bemängelt, dass ein Unterrichtsbeginn um 8 Uhr für die Kinder und Jugendlichen, insbesondere während der Pubertät, deutlich zu früh und selbst ein späterer Beginn von nur einer halben Stunde entlastend sei. Mit unserer Stundentaktung (seit dem Schuljahr 2006/07) wurde es trotz einer erhöhten täglichen Belastung möglich, i.d.R. später den Unterrichstag zu beginnen und ihn dennoch i.d.R. zu verkürzen. Der Schulversuch ermöglicht im Regelfall einen Unterrichtsbeginn um 08:30 Uhr.
Die veränderte Stundenlänge innerhalb des Schulversuches korreliert auch mit den neuen Anforderungen für schriftliche Arbeiten. Es werden im zunehmenden Maße Arbeiten mit einer Dauer von mehr als 45 Minuten gefordert. Um die damit verbundenen Anforderungen zu bewältigen, müssen es die Schüler auch im Unterricht erlernen, zeitlich umfangreiche Arbeitsphasen zu organisieren. Außerdem ergibt sich der Vorteil, für längere schriftliche Arbeiten nicht den Tagesplan umstellen zu müssen.